Wussten Sie eigentlich…. ?
Interessantes und Kurioses rund ums Thema Voltigieren
Warendorf (fn-press). Von allen Pferdesportlern waren und sind die Voltigierer am meisten von der Corona-Pandemie betroffen. Um das Voltigieren nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, befasst sich der FN-Instagram-Kanal @fn_pferdesport in dieser Woche mit den Pferde-Akrobaten, Pferden und Longenführern sowie den Besonderheiten der Disziplin. Wussten Sie eigentlich…
…dass das Voltigieren schon einmal olympisch war?
Voltigieren gehört zu den aktuell acht Pferdesportdisziplinen, die vom Weltreiterverband (FEI) betreut werden. 1920 zählt Voltigieren als Disziplin „Kunstreiten“ zum olympischen Programm in Antwerpen. Dabei müssen Soldaten in einer Einzel- und Mannschaftswertung Übungen auf dem gesattelten und ungesattelten Pferd sowohl im Stand als auch im Galopp vorführen.
Übrigens: Auch 1972 in München gibt es Voltigieren zu sehen. Im Rahmen der Olympischen Spielen zeigen fünf deutsche Voltigiergruppen auf fünf Zirkeln ein Voltigierschaubild in Form der olympischen Ringe.
…dass Voltigieren vor dem Kunstturnen am Seitpferd da war?
Das Kunstturnen am Holzpferd ist nicht etwa der Vorläufer des Voltigierens, vielmehr ist es umgekehrt. Aus den herkömmlichen Gewandtheitsübungen des Voltigierens, die auf einem lebenden Pferd und später auf einem Holzpferd praktiziert werden, entwickelt sich das Pferdturnen. Schon im 16. und 17. Jahrhundert liegt ein Teil der Übungen vor, aus denen sich das heutige Kunstturnen entwickelt hat.
…dass die „Offiziellen Richtlinien“ fast schon 60 Jahre alt sind?
Die ersten „Offiziellen Richtlinien“, konkret die „Richtlinien für Reiten und Fahren Band III“, erscheinen 1964 und enthalten auch die Wettkampfbestimmungen für das Gruppenvoltigieren.
…dass Voltigieren erst seit 2008 für alle altersoffen ausgetragen wird?
Der moderne Voltigiersport entwickelt sich in den 1950er Jahren zunächst als spielerischer Einstieg in den Pferdesport für Kinder und Jugendliche. Als 1963 die ersten Deutschen Meisterschaften in Wiesbaden ausgetragen werden, liegt die Altersgrenze für Gruppenmitglieder bei 16 Jahren. Erst 1982 wird diese auf 18 Jahre erhöht und erst 2008 für Gruppen ganz abgeschafft. Einzelvoltigieren ist international bereits seit 1985 altersoffen.
…dass es nicht nur Gruppen- und Einzelvoltigieren gibt, sondern auch Doppelvoltigieren?
Am Anfang gibt es nur Gruppenvoltigieren. Heute zählt eine Gruppe zwischen sechs und acht Mitglieder. Erst 1980 wird das Einzelvoltigieren mit einer Altersgrenze von 21 Jahren in die Richtlinien aufgenommen. Das Einzelvoltigieren wird nach Damen und Herren getrennt ausgeführt. 2010 werden die ersten Bundessieger im Doppelvoltigieren gekürt. Ein „Pas de Deux“ kann aus zwei Damen, zwei Herren oder einem gemischten Duo bestehen.
Übrigens: Voltigierer können bei Championaten auch in zwei Wettkampfklassen antreten, also zum Beispiel im Gruppen- und Doppelvoltigieren oder Einzel- und Doppelvoltigieren!
…dass es zwei Arten von Teamwertung gibt?
Statt von Voltigiergruppen spricht man heute oft von Teams oder Junior-Teams. Und sie haben ihre eigenen Meisterschaften. Neuerdings gibt es aber auch eine Teamwertung bei Championaten, die nach dem Vorbild der Nationenpreise gewertet und erstmals bei den Weltmeisterschaften 2018 vergeben wird. Hierbei vertreten jeweils eine Gruppe und zwei Einzelvoltigierer*innen die jeweiligen Nationalfarben. Premierensieger in Tryon ist übrigens Deutschland, vertreten durch die Gruppe Köln-Dünnwald sowie Kristina Boe und Jannik Heiland.
…dass man beim Voltigieren auch Jonglieren kann?
Bilder von Anfang der 1960er Jahre zeigen, dass man stehend auf einem galoppierenden Pferd auch mit Bällen jonglieren oder einen Hula-Hoop-Reifen um die Hüften kreisen lassen kann. Solange es Voltigieren nur als Schauprogramm gibt, ist (fast) alles erlaubt.
…dass es bei den DM 1965 nur Medaillen und vierte Plätze vergeben wurden?
Die Meisterschaften im Voltigieren sind zu Beginn nicht unumstritten. Ein Fachmagazin spricht gar von „entartetem“ Voltigiersport. Der Streit geht um die Frage, ob Voltigieren Wettkampfsport oder Spiel sein (bleiben) soll. Die FN entscheidet sich zugunsten des Wettkampfsports. Bei den DM 1965, die als Testlauf für die neuen Richtlinien Voltigieren dienen, sollen allerdings nur die ersten drei Gruppen Medaillen erhalten. Alle übrigen werden auf Platz vier gesetzt, da man bei keinem der Voltigierer den Eindruck einer Niederlage entstehen lassen möchte. So sieht man es jedenfalls von offizieller Seite. Die Aktiven selbst sind da ganz anderer Meinung.
…dass eine Wettkampfhalle im Voltigieren mindesten fünf Meter hoch sein muss?
Eine Voltigierhalle sollte eine Mindesthöhe von fünf Metern haben, da die Voltigierer bei ihren Aufbauten zu dritt übereinander eine Höhe bis zu drei Meter über dem Boden erreichen.
…dass bei Voltigier-Championaten nicht nur der Voltigierer, sondern auch der Longenführer eine Medaille bekommt?
Der Longenführer leistet einen entscheidenden Beitrag zum Erfolg im Voltigieren. Ohne ein gut gehendes Pferd können auch die besten Voltigierer ihre Leistung nicht abrufen. Seit 2002 erhalten daher Voltigierer*ìnnen und die Longenführer*innen eine Medaille.
…dass es beim Voltigieren eine spezielle Pferdenote gibt?
Die Pferdenote wird 1997 eingeführt, um Qualität der Ausbildung des Pferdes und des Longenführers zu protokollieren und zu dokumentieren. Hieraus sollen sich Schwächen, aber auch Stärken der jeweiligen Ausbildungsstände erkennen und ableiten lassen. Innerhalb der Jury gibt es eine Aufgabenteilung, so dass immer ein Richter nur für die Vergabe der Pferdenote zuständig ist, bei großen Championaten sind es sogar zwei Richter.
…dass es die heutigen Pflichtübungen teilweise schon vor 60 Jahren gab?
1953 wird die erste moderne Voltigieranleitung veröffentlicht. 1958 erscheinen die ersten bundesweiten Richtlinien. Sie enthalten folgende Pflichtübungen: Aufstellung, Sprung in den Reitsitz, Abgang, Knien und Fahne, Abrutschen über Kruppe oder Mühle, ganze Flanke oder Stehen, Schere mit Absprung nach innen.
…dass es im Voltigieren ein Technikprogramm gibt?
Das Technikprogramm ist nicht zu verwechseln mit der Pflicht, auch wenn es dort natürlich immer um die technisch korrekte Umsetzung bestimmter Übungen geht. Es ist vergleichbar mit der Kurzkür im Eiskunstlauf. Vorgegebene Elemente werden zu einer Art Kurz-Kür in eine eigene Musik eingebettet. Das Technikprogramm gibt es nur im Einzelvoltigieren.
…dass zu jeder Kür das passende Outfit gehört?
Brav und bieder präsentieren sich die Voltigierer*innen in den 1960er Jahren. Die Mädchen treten in kurzen Röckchen an, die teilweise über beinlosen Turnanzügen getragen werden, die Jungen in Shorts. Trainingsanzüge folgen erst später. Heute gehört ein zur Kür passendes Outfit zum guten Ton. Aber auch wenn es noch so gut aussieht: Accessoires wie Hüte oder Schals sind verboten, laut Reglement muss die Kleidung sportgerecht und zweckmäßig sein.
…dass Mozart ein Voltigierer war?
Das stimmt natürlich nicht – zumindest ist es nicht bekannt. Legendär allerdings ist die Mozart-Kür, mit der Kai Vorberg 2006 den Weltmeistertitel in Aachen gewinnt. Zu Klängen der Kleinen Nachtmusik und Falcos Rock me Amadeus begeistert die Vorstellung Vorbergs die Richter und Zuschauer gleichermaßen. Die Mozart-Kür gehört zu denjenigen, die im Gedächtnis bleiben und die Bundestrainerin Ulla Ramge als „Gänsehaut-Küren“ zu bezeichnen pflegt.
…dass es verpönt ist, zwei Jahre hintereinander dieselbe Kür zu zeigen?
Es hat sich so eingebürgert: Wer an der internationalen Spitze mitvoltigieren will, präsentiert jedes Jahr eine neue Kür und auch ein neues Technikprogramm. In der Regel wird das Programm nach der Wintersaison erstmals öffentlich gezeigt und – aufgrund von Geheimniskrämerei – mit Spannung erwartet.
…das älteste Voltigierpferd auf einem Championat 24 Jahre alt war?
Die Rede ist vom Sachsen-Anhaltiner Fuchs Airbus, alias Jumbo. Fast 20 Jahre sind er und seine Longenführerin Irina Lenkeit im Voltigiersport im Einsatz, nehmen an Weltreiterspielen, Europameisterschaften und Weltcup-Finals teil. Airbus ist unter anderem Partner von Antje Hill, Torben Jacobs, Daniel Kaiser und zuletzt Thomas Brüsewitz. Der Gedanke ans Aufhören wird immer wieder verschoben. Erst mit stolzen 24 Jahren hat der 1,82 Meter große Fuchs seinen letzten großen Auftritt bei den EM in Aachen. Dort trägt er Thomas Brüsewitz zur Silbermedaille. Dies ist einer der seltenen Fälle, dass im Einzelvoltigieren das Pferd älter ist als der Voltigierer. Im Sommer 2020 stirbt Airbus, er wird 29 Jahre alt.
…dass auch ein Holzpferd galoppieren kann?
Vom Holzpferd als Trainingsgerät und den Folgen daraus für das Kunstturnen ist hier schon die Rede gewesen. Auch die Voltigierer*innen üben ihre Lektionen natürlich nicht nur auf dem lebenden Pferd, sondern testen sie erst am Boden und auf dem Holzpferd. Seit einigen Jahren verhilft ihnen der „Movie“, ein „galoppierendes“ Holzpferd“, zur noch besseren Vorbereitung.
…dass die Mühle beim Voltigieren Pflicht ist?
Die Mühle zählt wie die Schere oder Fahne zu den Übungen, die im Pflichtprogramm gezeigt werden. Wie die typischen Pflichtübungen aussehen, ist unter www.pferd-aktuell.de/spitzensport/disziplinen/voltigieren zu sehen.
Quelle: fn-press / www.pferd-aktuell.de