Waldgeist ist bestes Rennpferd

Ein Geist in Paris, ein Schinken in Hamburg und ein Rennen in München

Die aktuelle Nummer Eins der Welt kann deutsch: Der fünfjährige Hengst Waldgeist ist durch seinen triumphalen Erfolg im Prix de l’Arc de Triomphe, dem wichtigsten Rennen Europas, an die Spitze gerückt. Er teilt sich den Platz an der Sonne mit der Stute Enable, die er in Paris bezwang, und Chrystal Ocean, der verletzungsbedingt nicht dabei war. Waldgeist gehört zu 75 Prozent dem bayrischen Gestüt Ammerland des Rechtsanwalts Dietrich von Boetticher. Die übrigen 25 Prozent gehören dem englischen Gestüt Newsells Park, im Besitz des Hamburger Kaffeeerben und Unternehmers Dr. Andreas Jacobs. Trainiert wird er allerdings in Frankreich, von André Fabre. Dieser ist 24-facher Champion in seinem Heimatland.

Wie wird man die Nummer Eins?

Ein internationales Gremium bewertet die Leistungen von Rennpferden weltweit und drückt sie in Zahlen aus: 128 steht bei Waldgeist jetzt, im Vorjahr lag er noch auf dem 20. Rang mit 122. Oder anders ausgedrückt: Der Erfolg in Paris „war wie ein Olympiasieg, nur lukraktiver“, schrieb Gabriele Pochhammer, Herausgeberin des Pferdesportmagazins St. Georg. Denn 2,857 Millionen Euro Preisgeld gab es für den Arc-Sieg.

Die Gesamtgewinnsumme von Waldgeist schraubte sich bei 21 Starts und neun Siegen auf mehr als 4,3 Millionen Euro.

In Deutschland ist Waldgeist allerdings nur einmal gelaufen – als Dreijähriger im Großen Preis von Bayern, er wurde Vierter.

Waldgeist nach dem Sieg im Qatar Prix de l'Arc de Triomphe 2019. © German Racing/Frank Sorge

Waldgeist nach dem Sieg im Rennen Qatar Prix de l’Arc de Triomphe 2019. © German Racing/Frank Sorge

Am kommenden Sonntag in der neuesten Auflage des Münchner Grand Prix zum Abschluss der German Racing Champions League tritt Waldgeist nicht an und ist doch sehr präsent. Denn von Boetticher, seines Zeichen auch Präsident des Münchner Rennvereins, sponsert das Rennen als Waldgeist – Großer Preis von Bayern.

Von Boetticher – ein passionierter Reiter

Die Familie des Wirtschaftsanwalt von Boetticher, Jahrgang 1942, geht auf ein hohnsteinisch-thüringisches Adelsgeschlecht aus dem 15. Jahrhundert zurück. Er selbst ist ein passionierter Reiter, und so kam er als Quereinsteiger zum Galoppsport. „Ich suchte für mein Hobby noch ein Dressurpferd. Schon damals wusste ich, dass das Vollblut einen immer größeren Einfluss auch im Dressursport genommen hatte“, berichtete er „galopponline“ über seine Anfänge. Dabei stieß er auf den Hengst Luigi.

„Der junge Hengst schien mir, in einigen Jahren natürlich und erst nach Beendigung seiner Rennlaufbahn, ein passender Kandidat zu sein.“

Der Rest, so heißt es gerne, ist Geschichte. Luigi gewann – von Uwe Ostmann trainiert – 1988 das 119. Deutsche Derby, das als „Schinken-Klau“-Derby in die Annalen eingehen sollte. Denn der designierte Reiter von Luigi, Olaf Schick, gehörte zu einer Gruppe von angetrunkenen Jockeys, die auf der Rennbahn in Hamburg aus Jux Schinken-Keulen stahlen.

Der Erfolg nimmt seinen Lauf

Schick verlor seinen Derbyritt an den damaligen englischen Spitzenjockey Walter Swinburn. Dessen Name steht immer mit dem, vermutlich von der irischen Terrororganisation IRA entführten englischen Derbysieger Shergar, in Verbindung. Luigi siegte knapp gegen die Stute Alte Zeit, die von Boetticher dann zum Aufbau seiner eigenen Mutterstutenherde kaufte. „Luigi ist im Grunde verantwortlich, dass ich Ammerland 1989 gekauft habe“, so von Boetticher. Zu dem Areal am Starnberger See kam 20 Jahre später auf der gegenüberliegenden Seite das Gestüt Bernried hinzu.

Hier dreht sich nicht alles um Renn-, Reit- oder Dressurpferde, sondern es gibt Kühe, Schafe, Ziegen, eine Fischzucht und viel Wald und Wiesen.

Insgesamt rund 500 Hektar werden bewirtschaftet. Zwei Deckhengste stehen auf Ammerland: Iquitos und aus eigener Zucht der französische Derbysieger Lope De Vega. Mit Boreal und Borgia gewann von Boetticher noch zwei Mal das Deutsche Derby. Mit Hurricane Run das Irish Derby und den Prix de l’Arc de Triomphe, doch da war er schon an das irische Vollblutimperium Coolmore verkauft. Gemeinsam mit Coolmore hat man auch Waldgeist gezüchtet, das seine Anteile an dem Hengst 2017 aber abgab. Im Nachhinein sicher keine gute Entscheidung.

Waldgeist sein Vater: erfolgreicher Vererber

Der Vater des Fuchshengstes Waldgeist ist der Coolmore-Deckhengst Galileo, der Großvater Saddler’s Wells. Beide zählen zu den erfolgreichsten Vererben, die es in Europa gab und gibt. Saddler’s Wells wiederum stammt von dem Kanadier Northern Dancer ab, der als Urvater der modernen Vollblutzucht gilt. Bereits auf väterlicher Seite gibt es einen signifikanten deutschen Einfluss über Urban Sea, der Mutter von Galileo. Die Arc-Siegerin stammt von der Schlenderhanerin Allegretta ab, deren Vater Lombard, 1971 und 1972 „Galopper des Jahres“ in Deutschland, war.

Waldlerche: Erfolgreiche Mutter von Waldgeist

Auf mütterlicher Seite findet sich bei Waldgeist das Beste, was die deutsche Zucht zu bieten hat: Die Mutter Waldlerche zählt zur berühmten W-Familie des Gestüt Ravensberg mit der Stamm-Matriarchin Waldrun. Die noch lebende Ur-Großmutter von Waldgeist, Wurftaube, war ein großartiges Rennpferd und hat zum Beispiel den Derbysieger Waldpark hervorgebracht. Ihr Vater ist der große Acatenango, in den 80er-Jahren eines der besten Rennpferde Europas.

Der Vater von Waldlerche wiederum ist Monsun.

Er ist der beste deutsche Deckhengst der jüngeren Vergangenheit mit zahlreichen großen internationalen Erfolgen. In seinem Stammbaum finden sich weitere große Namen wie Königsstuhl, Surumu und Dschingis Khan. Mit so einem Pedigree ausgestattet, ist eine internationale Deckhengst-Karriere für Waldgeist vorgezeichnet. Wie sagte der deutsche Chef des Hong Kong Jockey Clubs, Winfried Bresges-Engelbrecht: „Das ist ein toller Erfolg für die deutsche Vollblutzucht. Das wird hoffentlich auch langfristig positive Effekte zeitigen.“

Quelle: German Racing